Tag 2 ohne Cortison und schon geht die Scheiße wieder los. Ich bekomme Hitzewellen, habe Atemnot und ich denke, ich muss heute dem Herrn Arzt noch einmal etwas Hübsches als Medikamentengabe abfordern.
Ich erzähle gern auf Nachfrage die Entstehungsgeschichte meines Körpers, leicht romantisiert.
Es war einmal eine lange Nacht im Dezember 1959, wo in der Werkstatt des lieben Gottes sehr viel Hektik herrschte. Es waren die geburtenstarken Jahrgänge und wie überall herrschte auch schon damals Personal- und Materialmangel. In dieser Werkstatt wurden die Kinder zusammengebaut, die am nächsten Tag zur Welt kommen sollten. Das Lager war recht voll und in den Kisten der vollen Regale lagen alle Teile fein sortiert, die Gottes Helferlein zum Bau eines Kindes benötigten. Je nachdem, welche Anlagen es mitbringen sollte, gab es noch, wie man es heute nennen würde, ein Software-Update und nach einer erfolgreichen Endabnahme konnte das Kind an die Eltern ausgeliefert werden.
Es herrschte viel Stress in diesen Tagen, so kurz vor Weihnachten. Und so geschah auch mal der eine oder andere Fehler beim Zusammenbau eines Kindes. Doch immerhin wurde in der Qualitätskontrolle noch immer alles gefunden, was fehlerhaft montiert war und so kamen an jenem Tag nur einwandfreie und mängellose Kinder auf das Auslieferungsband.
Da die Produktion der Einzelteile schon damals sehr stark am Bedarf orientiert war, wurde vorab nur produziert, was auch am gleichen Tag noch montiert und ausgeliefert werden sollte. Im Normalfalle blieb nichts übrig und es fehlte auch nichts. Das war leider an jenem Tag im Dezember 1959 anders.
Gegen Feierabend, spät in der Nacht, meldete einer der Helfer an den lieben Gott, dass man zwar fertig sei, aber einige Teile übrig habe, mit denen man nichts anfangen könne. Da wären zwar ein ziemlich gutes Hirn und eine nette Seele noch in den Regalen lagernd, aber eben auch ein recht großer Haufen Schrott, den niemand verwenden wollte.
Der liebe Gott schaute sich den Stapel Einzelteile an, grübelte ein wenig nach und schloss dann das Wegwerfen aus. „Lass uns noch ein Kind aus diesen Resten zusammenbauen, gib es in einen chaotischen Arbeiterhaushalt und wir schauen mal, was daraus wird. Wenn es schiefgeht, haben wir wenigstens die Lebensabbruch-Quote erfüllt. Geht es gut, haben wir nichts verschwendet.“
So wurde also gesprochen und beschlossen und ich kam zur Welt.