Die Sache mit dem christlichen Glauben

Es wird Zeit, einmal über meine ganz persönlichen Ansichten zu insbesondere meinem christlichen Glauben zu sprechen. Ich lese sehr häufig Zweifel oder Ablehnung, höre sehr viel über die Verurteilung der Kirche und hier wird meines Erachtens viel in einen Topf geworfen, ohne nachzudenken.

Ich erkläre deutlich vorab: Ich bin kein Kirchengänger. Ich mag Kirchen in ihrer Eigenschaft als Versammlungsorte, sakrale Bauten und historische Stätten. Ich mag Kirchen auch, wenn sie keine böse Vergangenheit haben. Keinesfalls habe ich etwas dagegen, wenn Kirchen aufgrund der Auflösung einer Gemeinde anderen Zwecken zugeführt werden. Das gab es auch in der Geschichte schon oft und beunruhigt mich nicht.

Ich bin der Meinung, daß Glauben (der tief persönliche Glaube) keineswegs an die Institution Kirche, die "Glaubensverwaltung Kirche" gebunden ist. Die Kirche mag als Vermittler oder als Medium gelten. Sie darf und soll Hilfe geben und das äußere Zeichen einer Glaubensgemeinschaft repräsentieren. Ob das immer so richtig gelingt, sei in diesem Beitrag dahingestellt.

Um meine Form des Glaubens ein wenig darzustellen, muß ich ausholen. Ich bin als Kind mißhandelt worden und gelte als "verlassenes Kind" in mehrfacher Art und Weise. Das Thema Glauben war nie in der Familie enthalten und somit bin ich zwar getauft, doch hatte ich bis zum Religionsunterricht in der Schule keine Berührung mit Gebeten oder einer göttlichen Instanz. Der klassische Religionsunterricht ging an mir vorbei, weil es mich nicht berührte. Ich fand die biblische Geschichte interessant und die abenteuerlichen Dinge wie Sintflut, Jesus und natürlich die Weihnachtsgeschichte waren schon recht spannend. Aber eben nicht gehaltvoller als Bonanza, Karl May und Science Fiction.

Je mehr ich jedoch lesen konnte, um so mehr las ich Science Fiction und Abenteuerromane. Immer wieder stieß ich auf "göttliche Allmacht" und das Vertrauen in die Kräfte des Menschen. Mich faszinierten die Kräfte von geistigen Mutanten und die Helden der Mythologie. So fand mich dann der Konfirmationsunterricht als geschichtlich belesen, doch keineswegs glaubend. Um es kurz zu machen, daran hat sich auch in der Konfirmandenzeit nichts geändert.

Nach der Konfirmation jedoch begann die Zeit der Jugendgruppen im Evangelischen Jugendzentrum. Es war eine geile Zeit, es war Leben pur und Freunde, Liebe, Spaß und jede Menge üble Erfahrungen zuhause. Halt gaben mir meine Freunde und allzu oft auch der Alkohol. In den Gruppentreffen, die neben dem Freundesleben stattfanden, wurden wir an den christlichen GLauben herangeführt. Behutsam und im eigenen Rythmus erlernte ich es, zu beten und Fragen zu stellen. Man konnte mich damals berechtigt "Thomas" nennen, denn ich zweifelte an allem, was mit Gott und Jesus zu tun hatte. Ich wurde neugierig, stellte Fragen, bekam allerdings nur allzu oft Antworten, die mich nicht befriedigten. Nur zu sehr war unser Gruppenleiter in den gefestigten Regeln der Kirche gefangen.

Ich begann mit der Ausbildung und traf neue Freunde. Glauben war kein Thema mehr. Ich lernte, arbeitete, liebte und es ging mir recht gut. Kein Gedanke an Glauben und Gott. Ich lebte einfach so, ungläubig möchte ich heute sagen. Oder vielmehr "nicht glaubend".

Irgendwann begann der Abstieg. Trennung, Arbeitslosigkeit, Armut. Ich brauchte Hilfe und hatte keine Ahnung, wie und wo ich sie bekommen sollte. Ein Hilferuf "nach oben", die Bitte um Eingebung und dann die Erfahrung, das Leben geht weiter. Ich meldete mich immer "irgendwo da oben", wenn es mir schlecht ging. Dieser Moment des Innehaltens und sich Ergebens, dieses Bitten. Das war es, was mir später im Gespräch mit einer Pastorin in der gemeinsamen Klinik als "Gebet" definiert wurde.

Mir ging es wieder besser, ich arbeitete, heiratete und mein Sohn kam nahezu tot auf die Welt. Ich bat um Hilfe und es ging weiter. Er lebte, ich geriet in Scheidung, heriratete später erneut. Diesmal einen Menschen, der täglich ein Gebet sprach, dem ich jedoch das friedlich christliche Verhalten absprach. Das Böse schien mir unter der heiligen Oberfläche zu schlummern und viel Esoterik unterstütze meine Zweifel an der Richtigkeit dieser Form des Glaubens. Ich beschäftigte mich in dieser Zeit viel mit weißer Magie, entwickelte das Gespür für Störungen bei Menschen und stellte fest: Ich wollte das nicht. Ich war mit jemandem zusammen, der sich Hexe nannte und dennoch an den gleichen Gott glaubte, wie es sollte. Was im Einzelnen dazu führte, daß ich irgendwann meinem Leben ein Ende setzen wollte, steht nicht im direkten Zusammenhang mit diesen Dingen. Doch es ist sicher, daß mein Leben chaotisch wurde und jeglicher Halt vernichtet war. Ich hatte nichts mehr, für das es sich zu leben lohnte. Gerettet haben mich nur immer wieder die Gedanken an mein Kind, die buchstäblich in allerletzer Sekunde wie ein Bild vor meinen Augen standen. Ich bat um Kraft und unternahm den Schritt in die Klinik. Dort entrümpelte ich mein Leben, führte unendlich viele offene Gespräche mit Fachkundigen, Mitpatienten und vielen mir wichtigen Menschen. Eine Weile noch versuchte ich mein Leben zu flicken, doch dann flehte ich um Kraft zur Entscheidung, denn ich war wieder am Ende angekommen.

Ich trennte mich von der Person und der Esoterik, dem Glauben in dieser wirren Form. Wieder einmal hatte ich gezweifelt und nun war ich mit meinem Kinde allein. Ich mußte neue Werte schaffen, das Leben neu organisieren und Halt finden, den ich selbst zu erschaffen hatte.

Gezwungen, in mich zu gehen, wurde ich zum Suchenden, zum Schreibenden. Ich schrieb mir von der Seele, notierte alle meine Gedanken und Zweifel. Und ich recherchierte in meinem Leben nach der göttlichen Macht. Ich suchte nach meinem persönlichen Sinn des Lebens und nach meiner Aufgabe. Das war der Zugang für mich: Meine Frage "Was ist der Grund dafür, daß es mich gibt? Was soll ich hier?"

Für mich ist die Frage nach dem Sinn meines Lebens untrennbar verbunden mit dem Glauben an einen Gott, eine lenkende Macht. Dabei ist es mir egal, ob man diese Macht Allah oder Gott nennt. Sie ist meiner Meinung nach für alle Menschen gleich. Und diese höhere Macht hat in jeder Religion einen Propheten. Unser chrislticher Prophet hieß Jesus und machte den Glauben an einen einzigen Gott in der Welt publik. Das ist Geschichte und gezweifelt werden darf gern. Nur sollte jedem Zweifler bewußt werden, daß es ganz sicher einen echten Kern an dieser Story geben muß. Sonst würde sie sich nicht über Jahrtausende so hartnäckig halten.

Nicht ist auf dieser Welt ohne Sinn. Es gibt kein Lebewesen, keine Zelle, keine Handlung, die völlig ohne Sinn wäre. Oft genug erschließt sich der Sinn erst viel später. Das gilt auch für die schlimmen Taten der Menschen. Denn wir dürfen, auch wenn wir nach dem Vorbilde Gottes erschaffen sind, davon ausgehen, daß wir nicht perfekt sind. Ganz sicher werden wir geleitet, gelenkt, geführt, oder meinetwegen in einem riesigen Labortank freigelassen. Was wir tun, tun wir weil wir es können. Wir können es , weil wir diese Gaben programmiert in uns haben. Und wer oder was sollte das getan haben? Und vor Allem: Aus welchem Grunde ist es so, wie es ist? Völlig ohne Sinn ist nichts, denn sonst gäbe es auch nichts.

"Ich bin nicht gläubig" ist ein Satz, den ich oft höre. "Das glaube ich nicht" anworte ich dann. Jeder Mensch glaubt an etwas und wenn er es schafft, sich von der unsympathischen Verbindung Kirche = Papst = Gott zu lösen, dann ist er auf dem richtigen Weg zu seinem persönlichen Glauben. Denn unser Leben wird von Menschen beherrscht. Menschen mit all den fiesen kleinen Boshaftigkeiten, derer sie mächtig sind. Davon sind auch die Menschen, die in Kirchen gehen, nicht befreit. Wir müssen uns auch im klaren darüber sein, daß ein Kirchenbesuch keineswegs automatisch Läuterung bringt und aus einem bösen Menschen einen guten Menschen macht. Doch warum sollte ich zum Glauben in die Kirche gehen?

Ist es nicht vielmehr so, daß mein Glaube in mir ist und somit für mich an jedem Ort und zu jeder Zeit zur Verfügung steht? Das (zugegeben recht einseitige) Gespräch mit meinem Gott kann ich überall und jederzeit führen. Direkt und ohne Umwege.

Doch ich kann auch in die Kirche gehen und dort den Ort, die offensichtliche Nähe nutzen. Ich mag mich gern über die Scheinheiligen ärgern, um dann festzustellen "Ich bin anders". Man darf auch in einer Kirche glauben, doch man darf auch in einer Kirche nicht glauben.

Ich glaube im Sinne des christlichen Glaubensbekenntnisses und ich bleibe dabei durchaus bodenständig und keinesfalls unkritisch. Nach wie vor zweifele ich an einzelnen Dingen und Geschehnisse und dann frage ich meine oberste Macht, was da Sache ist. Eine Antwort in Form einer Eingebung oder eines Zeichens blieb dann nie aus. Und mit aller Nüchternheit meines neugierigen Verstandes lässt sich diese Häufigkeit der Treffer nicht erklären.

Was nicht klappt, ist die Bitte um die richitigen Lottozahlen. Weil ein Millionengewinn nicht in meine Lebensaufgabe passt. So einfach ist das mit dem Glauben.

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