…. deutschen Verkehrsdenkens aus gegebenem Anlaß (siehe Tages(b)log + Kommentar(e) )
Ich war eine Zeitlang in der mehr oder minder glücklichen Lage, für eine Kommune die Vorbereitung für Radarkontrollen (Geschwindigkeitsmessungen) zu treffen und war damit beauftragt, Bürgerbeschwerden über Raser nachzugehen und neuralgische Punkte herauszufinden. Dabei wurden mit einem mobilen Radargerät Meßpunkte eingerichtet und die Fahrzeuge und die gemessenen Geschwindigkeiten aus relativ großer Entfernung erfaßt. Ganz bewußt waren die Messungen so ausgelegt, daß die Fahrzeugführer die Kontrolle erst sehen konnten, wenn sie schon lange erfaßt waren. Die gemessenen Geschwindigkeiten wurden besorgten Autofahrern auf Nachfrage mitgeteilt, Anzeigen gab es nur unter ganz bestimmten und verschärften Bedingungen (z.B. in einem Falle 125 km/h innerorts!).
Ein wichtiger Teil waren Meldungen von Anliegern über die Belastung und Gefährdung durch Raser in Wohngebieten (30-Zone, Spielstraße) und an Schulen und Kindergärten. Erstaunlicherweise habe ich bei absolut jeder Messung feststellen müssen, daß ebenjene Anlieger und genau die Mütter (meistens waren es Frauen) deutlichst zu schnell fuhren, wo sie andere Fahrer beschuldigt haben, die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu übertreten. Zu mehr als 80 Prozent waren es Anwohner, die in Spielstraßen (Schrittgeschwindigkeit!) mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h fuhren. Sinnigerweise war sogar ein hoher Anteil der Beschwerdeführer dabei!
Beschwerden über Falschparker und Verkehrsbehinderungen an Kindergärten und Schulen führten zu Kontrollen, die alle das gleiche Ergebnis hatten: die Beschwerdeführer selbst parkten und fuhren entgegen jeglicher Vernunft und Rücksicht. Kinder wurden über die Straße gelockt, Fahrzeuge befuhren Gehwege und parkten den Geweg und sogar die Schulhöfe zu. Mütter scheinen das Hirn auszuschalten, wenn sie Kinder abholen müssen.
Ähnliche Dinge habe ich dann erlebt, wenn es um nachbarliche Streitigkeiten geht. Nachbar A beschwert sich über sein Gegenüber, weil der mit seinem Fahrzeug auf der Straßenseite von A parkt und nicht auf seiner „eigenen“ Seite.
Nachbar C beschwert sich, daß sein Gegenüber auf der anderen Straßenseite parkt und er selbst es so schwer hat, aus seiner Einfahrt zu kommen. Prüfungen mit meinem eigenen Fahrzeug ergaben, daß es mit einmaligem Rangieren problemlos möglich wäre, die Einfahrt zu verlassen. C will jedoch nicht rangieren und verlangt ein Haltverbot beim Gegenüber vor der Türe. Dem hält bei der Anhörung das Gegenüber entgegen, daß er dann ja gezwungen sei, auf der Straßenseite von C zu parken, was dieser wiederum nicht will. C fordert die Behörde auf, dem bösen „Falschparker“ das Parken vor dem Hause zu verbieten. Als ich C dann anbiete, auch ein Haltverbot vor seiner Haustüre zu installieren, weigert er sich brüsk. Diese Diskussionen habe ich sehr häufig erlebt und den Beschwerdeführern erklären müssen, daß ein Haltverbot im rechtlichen Widerspruch zu einer verkehrsberuhigten Zone steht und nicht willkürlich eingerichtet werden darf.
Es hat sich in diesen Jahren der Verkehrsüberwachung einfach herausgestellt, daß jeder gern alle Rechte hätte und die Pflichten den anderen Fahrern auferlegt werden.
Kennt jemand eigentlich noch den Text des § 1 StVO ?„Ich will ein Parkverbot in meiner Straße! Aber bitte nicht vor meiner Haustür, sonst weiß mein Beusch ja nicht wohin. Aber andere Leute dürfen da bitte nicht parken, ja?“
„Bitte blitzen Sie die Raser in meiner Straße! Die fahren hier alle viel zu schnell. Wann kommen Sie? Damit ich meinen Bekannten Bescheid sagen kann, daß hier geblitzt wird.“
„Ich mußte mein Kind abholen. Da hab ich keine Zeit zur Parkplatzsuche. Außerdem steht mein Essen auf dem Herd.“
„Ich hatte echt keine Zeit, mein Kind auch noch in den Kindersitz zu schnallen.“
„Gestern hätten Sie mal hier sein sollen. Da hätten Sie meinen Nachbarn erwischt. der rast immer hier lang.“
„Das Schild muß neu sein.“
„Schrittgeschwindigkeit? Da kann ich ja gleich zu Fuß gehen!“
„Wenn Sie dem da drüben das Parken nicht verbieten, dann parke ich in dessen Einfahrt.“
„Haben Sie nichts Besseres zu tun, als mir hier aufzulauern? Sie sollten mal in meiner Straße kontrollieren, da herrscht blanke Anarchie!“ (Hab ich getan. Und ihn erneut erwischt. In seiner Straße!“