Gegen die Leere

Da schaue ich soeben auf die Kalendersuche in dieser Website und stelle fest, dass da gähnende Leer herrscht. Es ist der 1. Oktober und der Oktober ist leer. Kann sein, wird so sein, fordert mich jedoch dazu heraus, etwas zu schreiben.

Aktuell befinde ich mich als Entsandter (so heißt das tatsächlich) im Rahmen eines europäischen Wissentransferprogramms (echt jetzt) im deutschsprachigen Ausland. Nein, nicht in Thüringen, sondern im richtigen Ausland. Während meine Lieben also daheim weiter ihr Leben leben, bin ich zwei Wochen lang mit einem straffen gegenseitigen Informationsprogramm ausgestattet, um Unterschiede zwischen hier und dort festzustellen, Wissen auszutauschen und das alltägliche Leben zu beobachten. Vor wenigen Tagen ankommen und in dem Bewusstsein, dass wir Deutschen super strukturiert und organisiert sind, alles im Griff haben und insbesondere die Thematik um geflüchtete Menschen mit hervorragender Organisation und sozialem Engagement angehen, klatsche ich hier in der Großstadt Wien auf den Boden der bitteren Wahrheit auf. Um es kurz zu machen: Wir Deutschen stehen unserem Sozialwesen selbst im Weg und verursachen unsere Sicherheitsprobleme selbst, ohne die Ursache zu bekämpfen.

Wir stellen mehr Sicherheitskräfte ein, lassen aber Migranten monate- und jahrelang ohne Sprachkurs und Beschäftigungsmöglichkeit in Sammelunterkünften oder ihren Wohnungen allein. Arbeitserlaubnisverfahren, Verbot des Besuchs eines Sprachkurses während des Asylverfahrens, weniger Geld als die Armutsgrenze es mit dem Bürgergeld zeigt. All das ist keine Wunder, wenn es herumlungernde und sich radikalisierende Menschen erzeugt. Da helfen keine Polizisten, da hilft es nur das Versagen des Systems an der Ursache zu packen. In Wien gilt die eiserne Regel, dass ab dem ersten Tag eine Zuweisung in Bildung, Sprache und (gemeinnützige) Arbeit erfolgt. Das wiederum erzeugt einen schnelleren Ausstieg aus dem sozialen Netz.

Auch die maßlose deutsche Arroganz in Bezug auf die Vernetzung der Helfenden untereinander, die ebenentreu stattzufinden hat. Das heißt, dass die operativen Kräfte, die an vorderster Linie mit den Betroffenen zu tun haben, keinerlei Einfluss auf die Regularien haben, weil die wiederum von Leitungskräften auf viel höherer Ebene (und ohne jedes Wissen über die Geschehnisse an der Basis) festgelegt werden. Auf den darüber befindlichen Ebenen werden die Haushaltsmittel besprochen, wie ebenfalls fernab jeglicher Bedarfe der Basisarbeit, rein auf Vorgaben von ganz weit oben festgelegt werden. Diese Arbeit jeder Ebene in der Hierarchie für sich, ohne eine Ahnung dessen, was ganz unten an der Basis gebraucht und geleistet wird, wird in Zukunft der Tod des sozialen Systems in Deutschland sein. Als verstärkend kommt hinzu, dass immer mehr Aufgaben mit dem mehr oder minder dezenten Hinweis auf die angespannte Haushaltslage auf das Ehrenamt verlagert werden.

Ehrenamt ist gut und wichtig, keine Frage. Doch wenn Menschen ohne fachlichen Hintergrund Beratungen und Arbeiten erledigen müssen, von denen sie nur ein teilweise gefährliches Halbwissen haben, dann hilft es nur dadurch, dass es die echte Not vertuscht.

Es ist kein Witz, dass in vielen Behörden die Haushaltslage eine Einstellung von 10 Sozialarbeitern nicht hergibt, aber 20 Ordnungskräfte eingestellt werden. Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen, bekämpft man Symptome. Und darin scheinen wir Deutschen inzwischen dem rechten Populismus erlegen zu sein und handeln um des lieben inneren Friedens Willen völlig falsch.

Ich glaube fest daran, dass auch unsere Politiker in den Landtagen und im Bundestag jeglichen Bezug zu den tatsächlichen Geschehnissen in der Arbeit der Behörden und Organisationen verloren haben. Sie wissen nicht mehr, was tatsächlich hier unten geschieht, weil es sie nicht interessiert. Weil sie sich nicht mehr Zeit nehmen, als einen schnellen Besuch in einem Arbeitsamt, wo ein Mensch eine Mitarbeiterin verletzt hat. Die Gründe sind nicht wichtig. Dass es mehr als drei Monate von der Antragstellung bis zur Auszahlung der ersten Geldleistung dauert, weil Personal fehlt, interessiert niemanden. Dann lieber einen Sicherheitsdienst mit dreißig Leuten einkaufen, anstatt 10 Stellen in der Antragsbearbeitung zu besetzen.

Wir sind pervers arrogant und blind. Und es tut mir keineswegs leid, das zu meinem eigenen Volk zu sagen. Wir müssten aufwachen. Ohne zu schwurbeln und abzuwiegeln.

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