Soeben geschah an der Ecke ein Verkehrsunfall. Ich sehe dort zwei PKW an einem Fußgängerüberweg stehen, der hinter wagen zerbeult. Neben dem Fahrzeug eine jungen auf dem Bordstein sitzend und kreidebleich wie zitternd. Neben dem anderen Wagen liegt eine schrill weinende Frau auf dem Gehweg.
Passanten bemühen sich, ich frage routinemäßig, wer die Rettung alarmiert hat. Jemand sagt mir, er habe das getan. Ich prüfe Vitalfunktionen, teile Helfer ein, alles ganz normale Routine. Wenige Minuten später höre ich die Sirenen und habe inzwischen Zeugenaussagen von Passanten gehört und gesammelt.
Den eintreffenden Polizisten gebe ich einen Überblick, wie ich es gelernt habe, sie stürzen sich erwartungsgemäß jeweils auf die verletzte und die unverletzte Fahrerin. Der Notarzt trifft ein, die Erstversorgung beginnt, die Ersthelfer können sich für die Zeugenaussagen bereit halten. Der leitende Polizist fragt nach Zeugen und ich zeige auf die Menschen, die mir eben noch haarklein alles berichtet hatten.
Und sie erklären, allesamt, sie hätten nichts gesehen. Es gibt keine Zeugen mehr. Der Polizist ist sauer. Ich versuche noch, die Frau neben mir dazu zu bewegen, etwas zu berichten, was sie offensichtlich gesehen hat. Sie erklärt, das alles geht ihr zu weit und sie käme sowieso nicht von hier.
Ein Fall, wie ich ihn ständig erlebt habe. Alle schauen hin, keiner will hinterher vor der Polizei berichten, was geschehen ist.
Leider habe ich den Unfallverlauf nicht miterlebt. Ich hätte zur Verfügung gestanden. Weil ich das für meine menschliche, gesellschaftliche und selbstverständliche Pflicht halte.