Stichworte vorgelesen

Na, das war ja wohl ein Spaß!

Die Geschichte mit Euren Stichworten habe ich heute einem kritischen Publikum in Bochum vorstellen dürfen und sie wurde von den sieben gelesenen Geschichten auf den wunderbaren Platz 2 gewählt!

Das ist natürlich einen Beifall für diese Blogaktion wert. Und selbstverständlich sollt Ihr jetzt auch die Kurzgeschichte lesen, wie versprochen.

Hinter dem “Weiterlesen” befindet sich die seltsame Geschichte um den missmutigen Paul. Eure Stichworte habe ich fett gedruckt.

Paul

Paul ärgerte sich gern und häufig. Und Paul mochte Erdbeeren. Ersteres sah man ihm häufig an, Letzteres zu seinem Leidwesen nicht. Denn dort, wo Paul derzeit lebte, gab es keine Erdbeeren. Man gab ihm einfach keine. Auch darum ärgerte er sich. Er fluchte über den Tag, wo er so blöde war, den Verlockungen von sagenhaft wohlschmeckendem Fischragout gefolgt zu sein, um damit seine Heimat endgültig zu verlassen. Sicher, er war nicht gerade dick, aber immerhin, wie man sagt, „gut im Futter“. Was überwiegend daher rührte, dass er den Tag am liebsten mit “latenter Aktivität”, also im totalen Ruhezustand, verbrachte. Er war ein gestandenes Mannsbild sozusagen. Nur eben derzeit in übler Laune und ohne Erdbeeren.

Eine Zeitlang hatte er versucht, sich auf Erdbeermarmelade zu konzentrieren. Das war jedoch, wie er schnell erkannte, kein adäquater Ersatz für frische Erdbeeren, möglichst direkt vom Feld. Ihm lief allein beim Gedanken an die wunderbare Farbe, den herrlichen Duft, der sich nach dem Eintauchen in Wasser leider schnell verlor und natürlich dem unvergleichlichen süß-säuerlichen Geschmack das Wasser in der Mundhöhle zusammen.

“Verdammter Mist!”, so fluchte Paul vor sich hin. Ich brauche Erdbeeren. Jetzt sofort und auf der Stelle. Er erhob sich von seiner Sitzgelegenheit und streckte sich ein wenig. Es wurde Zeit, wieder Richtung Heimat zu kommen. Vielleicht fanden sich auf dem Weg dorthin ein paar dieser köstlichen Früchte. Die göttliche Gerechtigkeit würde schon dafür sorgen, dass ihm ein paar leckere Erdbeeren begegneten. Wenn es eines gab, an das der stets missmutige Paul glaubte, so war es das Glück. Auch wenn ihn eben dieses, oft unverschämte Glück, keineswegs in Freude brachte, so akzeptierte er es immerhin.

Mit langsamen Bewegungen drehte sich Paul um und schaute in die Gegend. Was er sah, macht ihn nicht unbedingt glücklich. Das war auch nicht sein Anliegen. Neugierde allein trieb ihn dazu. Eine Schreibmaschine dort drüben rostete neben dem verrotteten Rest eines Philodendron vor sich hin. Unbenutzt seit Jahren und wer auch immer sie dort abgestellt hatte, er brauchte sie nicht mehr. Rechts daneben ein alter Goldesel für Zigaretten, liegend neben einer grässlich orangefarbenen Butterdose, was irgendwie keinen Sinn ergab. Das musste erkundet werden. Behutsam näherte er sich der Dose mit dem verwaschenen Aufdruck “Tu ware”.

“Faszinierend”, dachte Paul und begann, an ihrem Verschluss zu fummeln. Warum eine Butterdose luftdicht verschlossen sein musste und dafür einen Verschluss besaß, der fester als ein Panzerschloss hielt, war für ihn unbegreiflich. Paul setzte alle seine Kraft ein, doch dieses verdammte Ding wehrte sich vehement gegen das Öffnen. Grübelnd zog er sich zurück und betrachtete das geheimnisvolle Gefäß von Ferne. Wenn er es nicht bald auf bekäme, würde das den ganzen Abend ruinieren. Solche Rätsel machten ihn völlig kirre und manchmal sogar aggressiv.

Traurig und voller Sehnsucht nach den vielleicht auf immer verborgenen Schätzen in der Dose, schaute Paul Löcher links, rechts und oben neben dem verschlossenen Ding aus Kunststoff in die Umgebung. Es half alles nichts, er musste jetzt wohl Gewalt anwenden, sonst würde er niemals hinter das Geheimnis des Inhalts kommen und einfach wahnsinnig werden.

Mit einem kaum hörbaren Grollen schlich sich Paul an die Dose heran, umschlang sie mit aller Kraft und drückte, zog, presste, zerrte und riss am Verschluss, bis sich die Dose mit einem sanften “Plopp” öffnete. Rasch klappte er den Deckel auf und blickte ins Innere.

Nichts. Leer. Absolute und gähnende Leere. Keine Erdbeeren, kein Schatz und noch nicht einmal Butter. Fluchend wandte sich Paul ab und setzte sich völlig frustriert wieder auf seinen Stammplatz auf dem alten Baumstamm. Mürrisch zog er einen Flunsch und verschränkte die Arme ineinander. Draußen, hinter dem Glas, verzog sich die Zuschauermenge. Jemand wechselte das Schild mit der Aufschrift “Paul, Octopus vulgaris (gewöhnlicher Krake), nächste Vorstellung 15.00 Uhr – Fütterung 16.00 Uhr”.

© CeKaDo 2012

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