Nr. 29
Niemand da. Gut so. Ich brauche jetzt auch keine Zuschauer. Oder dumme Sprüche. Ich hoffe nur, er hat nicht abgeschlossen. Wenn ich das in den letzten Tagen richtig beobachtet habe, dann lässt er seine Türen und Schubladen unverschlossen. Ok, ich versuche es mal vorsichtig. Ah, bestens, die erste Tür ist offen. Eine Kleinigkeit. Ich schleiche über den Gang zur nächsten Tür. Jetzt kommt der entscheidende Moment. Innerlich jubele ich laut, denn auch diese tür ist unverschlossen. Ich bin in seinem Büro. Ordentlich aufgeräumt hat er, dieser penible Scheißer. Jeder Bleistift liegt zentimetergenau ausgerichtet und seine, ach so hochwichtigen, Unterlagen sind wohl mit dem Lineal gestapelt. In mir kommt Übelkeit hoch und ich weiß nicht, ob das vom Anblick dieses Büros kommt oder von der Aufregung. Ich spüre ein Grummeln im Bauch. Vielleicht war das Sauerkraut vorhin doch nicht so die beste Lösung. Oh, ich habe solch einen Druck auf den Darm. Ich muß mich beeilen. Seinen völlig staubfreien Ledersessel schiebe ich beiseite. Meine Güte, bin ich aufgeregt.
Schnell habe ich die richtige Schublade gefunden. Hier bewahrt er seine Disketten auf. Der alte Sack lässt nie etwas auf seinem Rechner. Aus Angst, jemand könnte in das System eindringen und ihn um seine Existenz bringen. Diese Schublade ist verschlossen, doch sie ist kein Hindernis für mich. Ein bißchen Gefühl und schon fährt sie weit nach draußen. Wunderbar, da liegen sie. Herrlich exakt aufgereiht, so wie ich es mir vorgestellt habe.
Jetzt ein schneller Griff und ein bißchen drücken. Fertig. Schnell die Lade wieder zu und raus hier. In einer halben Stunde ist das Gebäude wieder voll. Und ich an meinem Arbeitsplatz, als wäre nichts gewesen. Ausgerechnet am Tag der Arbeit will der alte Sklaventreiber uns alle hier arbeiten sehen. Egal, heute ist ohnehin mein letzter Tag. So oder so. Der alte Sack nimmt Kündigungen ja nie zurück, diese sture Sau. Und verlangt noch Arbeitseinsatz bis zur letzten Sekunde. Aber Scheiß drauf, ich finde schon was Neues. Er hat mich als Dreckschleuder beschimpft. Nur weil ich seine Kunden nicht betrügen will, so wie er es tut. Ich wäre ein Nestbeschmutzer. Und meine Zukunft wäre ihm einen Scheißdreck wert.
Ich bin sehr gespannt, wann er die Folgen seines Ausbruchs bemerkt. Normalerweise müßte er sofort beim Betreten seinens Büros Unrat wittern. Denn mein Durchfall in seiner Schublade wird grausig stinken. Scheiß drauf! Sagte ich doch, oder?
(c) CeKaDo
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