Warum Ärzte wie Handwerker sprechen, wenn es um multiple Störungen geht, werde ich nicht verstehen. Ich habe keine Baustellen, ich habe Störungen fernab der angestrebten Normalität eines Körpers. Womit ich, wohlgemerkt, schon seit ich denken kann mehr oder minder gut lebe. Als Baustelle würde ich es höchstens bezeichnen, wenn ein Chirurg mir den Leib aufgeschnitten hat, ein paar dicke Absperrungstücher um das Loch legt und dann die Worte spricht, die kein Patient hören will: „Oh, was ist denn das?“ Wie eben auf richtigen Baustellen an der Straße, wenn die Baggerschaufel auf etwas Hartes trifft.
Wie auch immer, ich wurde von der Ärztin des Vertrauens inzwischen von einer bildgebenden Untersuchung zur nächsten beschauenden entsandt. So nun auch bei einer Orthopädin.
Nun habe ich zu Orthopäden ein etwas ungutes Verhältnis. Vom selbstverliebten Golfspieler bis zum I.G.E.L.-Verkäufer war bisher alles dabei und führte meine innere Rangliste der übelsten Approbationsinhaber an. Bis zu meiner Begegnung mit der letzten Neurologin, die auch wirklich das Letzte war. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls erschien es mir verdächtig, dass ich einen Orthopädentermin binnen zwei Wochen bekam. Doch die Praxis war exakt durchorganisiert, groß, fröhlich eingefärbt und mit unter anderem einer streng auftretenden Orthopädin befüllt. Diese frug mich kurz, was mein Problem sei (nicht ohne Abstützen aufstehen können, Verdacht der Neuropathie, Tremor in den Armen, Krämpfe beim Stehen und langsamen Gehen). Sie schickte mich das Untersuchungszimmer rauf- und runtergehend, zog hier, drückte dort, ließ meine untere Wirbelsäule und das Becken röntgen und bat mich zusammenfassend zum Monitor. Dort konnte ich die Probleme selbst als halbwegs interessierter Laie erkennen.
Kurzum auf das Wesentliche beschränkt: Die „Baustellen“ an der Wirbelsäule sind derer mindestens drei, wovon jetzt die nächste bildgebende Instanz mittels MRT Klarheit schaffen soll, was genau die Matsche ist, die da zwischen Wirbel Nr. 2 und 3 zu sehen ist. Mal abgesehen von dem übel aussehenden Rest nach oben hin. Vorläufige Diagnose zudem „Spinalkanalstenose“ mit Ausfällen in Bezug auf die Nerven, die wohl bereits geschädigt sind. Was heißt, für Laien erklärt, dass der Kanal in der Wirbelsäule, wo die Hirnflüssigkeit und die Nervenbahnen lagern, derart verengt ist, dass es zu Ausfällen kommen muss.
Auf die unweigerliche Frage, ob ich Sport treibe, konnte ich nur antworten, dass ich so viele Schmerzmittel gar nicht einnehmen kann, damit ich fröhlich jogge, schwimme oder irgendwie Fitness mache. Ich kann ja noch nicht einmal tanzen, ohne dass ich durch den fiesen Schmerz immer wieder aus dem Gefühl in den Kopf gehe, damit ich die Tanzschritte einhalte. Was übrigens beim Sex nicht anders war. Da konnte es auch in jungen Jahren schon sein, dass ich mittendrin schlagartig vom Gefühl in den Kopf ging und das war es dann. Ich habe allerdings zum Glück gelernt, die jeweiligen Partnerinnen dennoch das erhoffte Vergnügen bis zum Schluss zu ermöglichen. Das klappte beim Tanzen leider nicht. Mein Sport war bisher in meinem Leben auf den Schulsport, die Sanierung von drei Häusern, mehr als ein Jahrzehnt lang das Schleppen von Bühnenpodesten und Stühlen, Bäume fällen, Holz hacken für die Winterzeit und vielen anderen Aktivitäten wie Mitarbeit im Rettungsdienst und dergleichen beschränkt. Meine einzigen beiden Bandscheibenvorfälle habe ich mir unter Aufsicht der Physiotherapeuten im Fitnessstudio eingefangen, dass ich knappe zwei Jahre aufsuchte, um abzunehmen.
Zurück zum Begriff „Baustelle“. Wenn ich an den Matsch denke, der zwischen den Wirbel klebt, erscheint mir jetzt der Vergleich mit einer Baustelle doch nicht mehr so fern. Wobei ich ungern daran denken möchte, dass jemand die Sache zu ihrer handwerklichen Begriffsbestätigung bringt und sich die Sache mal direkt und mit Loch im Rücken anschaut. Mich gruselt es dabei. Dann lieber nicht tanzen können und mit dem Tremor leben. Oder doch nicht. Ich warte erst einmal ab, was der MRT-Doc so sagt.