Wie man Hausaufgaben ohne Internet erledigt

Liebe Kinder,

Eltern sind manchmal böse, gemein und oberfies. Das wissen Eltern und das weiß auch ich. Denn ich bin Vater einer 13-jährigen Tochter, die manchmal sehr merkwürdige Regelverstöße produziert und dann plötzlich "Computerverbot" hat. Ok, Töchterlein zickt dann ein paar Tage rum, daß es ja sooooo langweilig ist, doch das interessiert den amtlichen Vater herzlichst wenig. Ihr kennt das ja.

Eines Tages jedoch nahte der Triumph der Stunde, als es um eine Recherche zu einem Begriff aus dem chemieunterricht ging. Da meinte mein liebes Kind doch glatt, ohne Internet wäre nicht herauszufinden, was genau dieser Begriff denn bedeute. Sonst ist mein liebes Töchterlein nicht soooo sehr genau mit den Hausaufgaben, aber diesmal nahm sie es erstaunlich penibel damit. Denn, so frohlockte sie süffisant grinsend, nun müsse ja das Computerverbot aufgehoben werden.

In meiner Eigenschaft als Märtyrererzeugender lächelte ich jedoch nur milde und verwies auf das Bücherregal im Wohnzimmer, welches voller Nachschlagewerke trotzt. Maulend zog Kind ab und bemühte sich geschlagene 15 Sekunden um die Lösung. Erneut triumphierend trat sie an mich heran, um zu verkündigen, daß keines der Nachschlagewerke den gesuchten Begriff enthalte. Damit hatte sie selbst den Google-Rekord in der Suchroutine geschlagen.

Nun, der väterliche Verstand ist ja um nervende Millisekunden schärfer fokussiert und so betraten wir den auf mein Geheiß erneut das Wohnzimmer. Dort fand zunächst eine Einweisung in die vorhandene (und dem Kinde von Geburt an bekannte) Literatur in Druckform statt. Anschließend begann eine Kurzunterweisung in der manuellen Bewegungsform des Herausnehmens eines Buches aus der Reihe. Die Erläuterungen über die Handhabung eines Buches im Allgemeinen (nämlich der Reihenfolge des Seitenblätterns, sowie die Durchführung entsprechender Hand- und Augenbewegungen) wurden mit einem entnervten "Papa! Ich kann lesen!" abgebrochen.

Also griff ich denn voller innerer Genugtuung zum ältesten Werk des Wissens, das ich besitze. Meyers Konversationslexikon von 1896 in 24 Bänden, geschrieben in Sütterlin, einer alten deutschen Schrift. Zweifelnd bemerkte das gymnasial geschulte Kind, ob solch moderne Chemiebegriffe denn in einem solchen Standardwerk aus dem vorletzten Jahrtausend zu finden wären. Schließlich wären die Hausaufgaben jetzt zu erledigen und das wäre ja schließlich das 21. Jahrhundert.

So ließ ich denn das völlig entnervte Kind in diesem Dokument historischen Wissens blättern und siehe da, es fand sich ein gut einspaltiger Text zum gesamten Vorgang, der in den Hausaufgaben erfragt war. Um das neu erworbene Wissen ins rechte Licht zu rücken, ließ ich dann das Kind in ein moderneres Standard-Nachschlagewerk greifen und dort fand sich ein Text, der aus 12 Worten bestand, jedoch seltsamerweise auf den gleichen Nenner kam.

Somit konnte nun väterlicherseits bewiesen werden, daß Hausaufgaben keineswegs zur Nutzung eines Computers trotz Verbotes führen und "Steinzeitliche Recherchemethoden" durchaus zu verblüffend ausführlichen Ergebnissen führen können. Nun gut, sie hat mich dann wohl ein klein wenig gehasst.

Doch mein noch Stunden später zu sehendes breites Grinsen liess sie dann auch irgendwann lachen.

Alos, liebe Kinder: Schaut Euch mal heimlich im Wohnzimmer der Eltern um, ob da nicht irgendwelche nützlichen Bücher stehen. So für den Notfall. Dann könntet Ihr nämlich verblüffen, indem Ihr Euch kundig zeigt und nach der Benutzung des entsprechendes Buches fragt. Noch besser wäre es allerdings, garnicht erst ein Computerverbot zu erzeugen. Wobei Lesen von Büchern nicht dümmer macht, ich schwör´s Euch!

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